Barrierefreie Technologien für inklusive Arbeitswelten

Der Einsatz kollaborativer Roboter zur Förderung der Arbeitsintegration von Menschen mit Behinderungen

„Gleichberechtigt und selbstbestimmt leben können“ lautete der Slogan der Bundesregierung zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung. Der Fokus von immer mehr Initiativen liegt in der Förderung von Barrierefreiheit und Inklusion. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen die uneingeschränkte Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen, ohne Diskriminierung im beruflichen Alltag oder im Bildungswesen zu erfahren. In diesem Kontext eröffnen kollaborative Roboter eine wegweisende Möglichkeit, die Leistungseinschränkungen von Menschen mit Behinderungen auszugleichen und ihre Integration in die Arbeitswelt zu unterstützen. Als spezielle Industrieroboter, die für die kooperative Zusammenarbeit mit Menschen in einem gemeinsamen Arbeitsumfeld ohne trennende Schutzeinrichtungen entwickelt wurden, schlagen sie eine Brücke zur Verwirklichung dieses Vorhabens.

Inklusion als Hauptargument für den Einsatz kollaborativer Roboter

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Verbundprojekt „GALA – Gesundheitsregion Aachen: Innovativ Lernen und Arbeiten“ beschäftigt sich vor allem mit den Themenfeldern gesundes Arbeiten, Mensch-Maschine-Interaktion, Agilität und Innovation sowie digitale Kollaboration.

Im Fokus eines der acht unternehmensgetriebenen Praxisprojekte von GALA steht die Einführung eines kollaborativen Roboters in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung, um die Handlungsspielräume der beschäftigten Mitarbeitenden zu erweitern.

Eines der Hauptargumente des Robotereinsatzes in Behindertenwerkstätten liegt in der Inklusion der beeinträchtigten Mitarbeitenden und deren Integration in die Arbeitswelt, indem die Roboter an die individuellen Bedarfe der Menschen angepasst werden. Diese Anpassungen können modifizierte Greifwerkzeuge, Dritte- Hand-Funktionen oder Bewegungsabläufe des Greifarms umfassen. Solche Maßnahmen tragen nicht nur zur ergonomischen Verbesserung der Arbeitsumgebung bei, sondern steigern zusätzlich die Sicherheit durch spezielle Sicherheitsvorkehrungen und Sensoren, indem die Technologien beispielsweise die Ausführungen bei ungewöhnlichem Verhalten stoppen. Der kollaborative Roboter fördert die persönliche Entwicklung und das Kompetenzerleben der Mitarbeitenden dadurch, dass er die eigenständige Ausführung komplexer Arbeitsschritte ermöglicht. Auch die wirtschaftlichen Aspekte dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Eine optimale Arbeitsteilung zwischen Mensch und Roboter kann die Arbeitsproduktivität erhöhen und Systemkosten reduzieren.

Stimmungsbild der betroffenen Mitarbeitenden

Die Forschungspartner des Verbundprojektes begleiten die Einführung dieses kollaborativen Roboters (Cobot) evaluativ. In der ersten Interviewreihe vor der Einführung des Cobots in der Werkstatt zeichnete sich bereits eine durchweg positive Grundhaltung hinsichtlich des Einsatzes des Roboters bei Mitarbeitenden mit und ohne Beeinträchtigung ab. Durch die Einführung des Roboters erhofft man sich vorrangig, Menschen zu ermöglichen, trotz ihrer Beeinträchtigungen gewisse Arbeitsschritte auszuführen. Die Mitarbeitenden sind der Technologie gegenüber positiv eingestellt: „Die Roboter unterstützen die Mitarbeitenden hier bei uns in ihrer Arbeit und ermöglichen es ihnen, Aufgaben zu übernehmen, zu denen sie ohne sie nicht in der Lage wären.“ und: „Du kannst halt sehr präzise auch damit arbeiten. Auch für jemanden, der motorisch […] eingeschränkt ist […], ist es eine Möglichkeit, präzise und genaue Ergebnisse zu erzielen. Auch ich bin feinmotorisch eher eingeschränkt und mit dem Roboter wäre ich in der Lage, in solchen Bereichen zu arbeiten.“ Die Beteiligten erhoffen sich, dass dieser Ansatz nicht nur die Integration fördert, sondern auch die Produktivität steigert. In diesem Zusammenhang wurde angemerkt, dass der Mangel an qualifiziertem Personal „häufiger [zu] Stress [führt] und dazu, dass [ein] Auftrag nicht zeitnah abgeschlossen werden kann.“

Bedenken bezüglich des Einsatzes wurden nur vereinzelt geäußert. Es herrschte der Konsens, dass die Arbeitskräfte nicht durch den Roboter ersetzt werden sollen, sondern ergänzt. Dabei sei es „wichtig […], dass sich die Mitarbeitenden, die den Roboter benutzen, sicher mit ihm und seiner Handhabung fühlen, und nicht das Gefühl haben, die Kontrolle zu verlieren“.

Eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter soll erreicht werden, indem den Mitarbeitenden neue Möglichkeiten eröffnet und nicht bisherige Tätigkeiten weggenommen werden. Die Mitarbeitenden sollen in der Lage sein, den Roboter eigenständig zu bedienen und somit aktiv an der Produktion beteiligt sein. Ein passendes Fazit zur Stimmung vor der Einführung des Cobots zieht das folgende Zitat eines Mitarbeitenden: „Ich glaube, wir können dadurch Menschen mit Beeinträchtigung, die von der Feinmotorik und vom Handling her nicht unterstützen können und keinen Wert schöpfen können […] dazu bekommen, dass sie […] an der Wertschöpfungskette teilhaben können. Und selbst wenn es nur eine Handreichung ist […], dann ist das schon ein riesen Erfolg für uns.“

Im Rahmen von zwei weiteren Interviewwellen werden im weiteren Projektverlauf die Eindrücke kurz nach Einführung des Cobots und nach längerer Benutzung erhoben und für eine iterative Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Roboter genutzt.

Das Projekt GALA wird vom BMBF unter FKZ 02L20B100ff gefördert.