Funktionsintegrierte Implantate durch innovative Zerspanprozesse

Innovative Zerspanungsverfahren für die Medizintechnik

Geschwungene Flächen und unrunde Querschnitte sind eine Herausforderung für die wirtschaftliche Fertigung moderner Implantate mit bionischen Konturen. Im Forschungsprojekt ZykloMed haben die Projektpartner deshalb die drei neuartigen Fertigungsverfahren Drehwirbelfräsen, Polygondrehen und Rotationsunrunddrehen entwickelt. Die gemeinsam von INDEX-Werke GmbH & Co. KG, der Paul Horn GmbH, der Beutter Präzisions-Komponenten GmbH sowie des wbk Instituts für Produktionstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erreichten Ergebnisse stießen bei der Abschlussveranstaltung im Rahmen der Horn Technologietage auf großes Interesse. Informative Fachvorträge, Live-Zerspanung auf den Maschinen und Einblicke in die Produktion zeigten weitere Prozesse, die sich aus dem optimalen Zusammenspiel von Werkzeug, Spannmittel und Maschine ergeben.

Wirtschaftliche Fertigung funktionsintegrierter Implantate durch neuartige synchronisiert-zyklische Zerspanprozesse

Die Geometrie medizintechnischer Implantate für die Traumatologie, Orthopädie und Dentaltechnik wird immer besser an bionische Formen angepasst, was große Vorteile für das Patientenwohl bietet. Geschwungene Flächen mit nicht kreisrunden oder eckigen Querschnitten erfordern meist mehrstufige Prozesse, um die hochgradig funktionsintegrierten Bauteile herzustellen. Das macht eine wirtschaftliche Fertigung zu einer großen Herausforderung. Mit den neuartigen synchronisiert-zyklischen Zerspanungsverfahren Drehwirbelfräsen, Polygondrehen und Rotationsunrunddrehen eröffnet das Konsortium des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekts ZykloMed völlig neue Möglichkeiten. Alle drei Verfahren basieren auf dem Prinzip der kinematischen Kopplung, wobei Werkzeug- und Bauteilrotation in einem festen Drehzahlverhältnis lagegeregelt synchronisiert sind. Während dieses Prinzip beispielsweise aus dem Bereich der Verzahnungsherstellung bekannt ist, ist die Anwendung für die Medizintechnik auf unrunde und geschwungene Formen neuartig und hochgradig anspruchsvoll. Dies machte im Projekt eine Entwicklung der Verfahren entlang der gesamten Prozess- und Lieferkette von der Maschinen- und Steuerungstechnik, über das Werkzeugdesign bis hin zum Prototypen- und Vorserienprozess erforderlich. Grundlegend war dabei die Modellierung der Verfahren in der Prozess-Simulation, um Werkzeugkonturen und Eingriffsbedingungen zu berechnen und so die grundsätzliche Machbarkeit der Prozesse einzuschätzen. Die Verfahren wurden in Versuchen an der Werkzeugmaschine sowohl unter Laborbedingungen mit Prototypenprozessen, als auch im seriennahen Umfeld anhand einer Knochenschraube und eines Knochennagels als Demonstrationsbauteile untersucht.

Abschlussveranstaltung und erzielte Ergebnisse

Bereits zum achten Mal öffnete die Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn GmbH ihre Türen für über 3.000 Besucherinnen und Besucher aus 37 Ländern. Die Abschlusspräsentation zum BMBF-geförderten Forschungsprojekt „Funktionsintegrierte Implantate durch neuartige synchronisiert-zyklische Zerspanprozesse (ZykloMed)“ war ein Highlight der Veranstaltung. Hier zeigten die beteiligten Partner ihr Knowhow in der Medizintechnik bei der Zerspanung eines Knochennagels sowie einer Knochenschraube. Ziel war es, die wirtschaftliche Herstellung von bionischen Implantaten mit multifunktionalem Design auf einer Werkzeugmaschine zu ermöglichen.

Die etwa dreistündige Präsentation der Ergebnisse ermöglichte dem Fachpublikum tiefe Einblicke in die Forschungs- und Entwicklungsarbeit des Konsortiums. Herr Arndt (wbk/KIT) erläuterte die theoretischen Grundlagen des Rotationsunrunddrehens. Durch die kinematische Kopplung kann die unrunde Kontur des Werkzeugs bei diesem Verfahren in gewissen Grenzen auf das Bauteil übertragen werden. Der Fokus des Vortrags lag auf der wissenschaftlichen Vorgehensweise und Ergebnissen aus Simulation und Prototypenversuch. Im Anschluss zeigte Herr Dr.-Ing. Sellmeier (INDEX) die Herausforderungen zur Umsetzung der Verfahren bezüglich der Werkzeugmaschine und Steuerungstechnik am Beispiel des Drehwirbelfräsens auf. Das Verfahren erlaubt erstmals die Herstellung von Knochenschrauben mit echter Steigungsänderung durch Änderung des Profils in einem Prozess-Schritt. Dazu ist die Kopplung von zwei Werkzeugdrehachsen mit der Bauteildrehachse und zumindest zwei Vorschubachsen notwendig. Herr Kanz (Paul Horn) rückte im Anschluss die Werkzeugtechnologie am Beispiel des Polygondrehens in den Vordergrund. Im Projekt wurde ein alternativer Schraubenantrieb entwickelt, welcher sich sehr effizient mit dem Verfahren herstellen lässt. Für Konstruktion und Herstellung der Werkzeuge ist aufgrund von Störkonturen und den kleinen Abmessungen tiefes Prozessverständnis nötig. Eindrucksvolle Zahlen präsentierte Herr Dr.-Ing. Kiessling (Beutter) im letzten Vortrag der Veranstaltung, welcher die Praxistauglichkeit der neuen Verfahren zum Thema hatte. Neben der Untersuchung der Standzeit der Werkzeuge zeigte der Vergleich der im Projekt entwickelten Verfahren zur konventionellen Fertigung hervorragende Ergebnisse: die unrunde Außenkontur des Knochennagels mit dem Rotationsunrunddrehen lässt sich mehr als zehnmal so schnell herstellen. Beim alternativen Schraubenantrieb der Knochenschraube liegt der Faktor bei mehr als 13. Neben der Abschlusspräsentation waren die drei Verfahren an allen drei Messetagen auf einer Werkzeugmaschine vor Ort unter Span zu sehen und die Projektbeteiligten beantworteten Fragen der Besucherinnen und Besucher.

Das Projekt ZykloMed wird vom BMBF unter FKZ 02P18C040ff gefördert.